Sie sind hier: Startseite » Gedankensplitter

Das Haus, wo die Zeit gemacht wird!

Ich hätte niemals gedacht, dass ich einen Gedankensplitter einmal mit dem Satz beginne: "Ein Kindheitstraum ging in Erfüllung!"

Genau das war heute der Fall, denn ich war heute das erste Mal in meinem Leben bei der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt in Braunschweig!

Dort war Tag der offenen Tür und zwar einer, der es in mehrfacher Hinsicht in sich hatte:

- Die PTB darf man ohne Zweifel als die Wurzel und die Krone der modernen Physik in Deutschland bezeichnen.
- Die schiere Anzahl der Besucher war unglaublich. Es war ein Hochgefühl, dass sich so viele Menschen für Physik interessieren.
- Ich war in dem Haus, wo die Zeit gemacht wird!

Ich habe zwei Dinge klar unterschätzt und zwar, wie weit die PTB außerhalb von Braunschweig liegt und dass Samstags dorthin keine regulären Busse fahren. Ich wollte natürlich pünktlich sein und kam an, bevor ein Shuttle-Bus das letzte Wegstück zwischen der Endstation und der PTB überbrückt hat. Also gut einen halben Kilometer laufen, mit 8kg Kamera auf dem Rücken. Ich hatte mir vorher auf Google Maps angeschaut, wo ich hin muss und gesehen, dass die PTB in einem gesonderten Stadteil, etwas außerhalb zwischen Kanzlerfeld und Watenbüttel liegt.

Genau das war mein zweiter Fehler:

Die PTB liegt nicht in dem Stadtteil, sie ist der Stadtteil! Die schiere Größe des Geländes lässt die Frage, die Berliner gerne zu Reiszielen stellen nämlich: "ob man da mal eben schön durchloofen kann?", eher nicht so passend erscheinen.

Zum Glück gibt es ein sehr gemachtes und sehr informatives Programmheft, dass die Orientierung deutlich vereinfacht. Ich lande zuerst im Bereich der Personalentwicklung wo die PTB potentielle Auszubildende anspricht. Da fühle ich mich mit meinen 61 Jahren mehr weniger in der Zielgruppe. Also weiter zum Fachbereich Schall, wo es eine Führung durch den Freifeldraum gibt. In diesem, von allen Schallreflektionen befreiten Raum werden Schallpegelmesser und Mikrofone geprüft und geeicht. Der Aufenthalt dort ist nicht nur wegen des Trampolinbodens ein Erlebnis. Denn die fehlenden Reflektionen, die sonst zu unserem akustischen Umfeld gehören, lassen Geräusche plötzlich irgendwie entkernt, ohne das übliche Volumen erscheinen. Das hört sich auch deshalb merkwürdig an, weil die Stimme eines Sprechers nur noch aus genau einer Richtung kommt und ich plötzlich das Gefühl habe, mit den Nasenflügeln zu hören. Es gibt noch zwei weitere Experimente zu den Themen Ultraschall und den Grenzen des Hörvermögens.

Schallbilder

Die nächste Station ist das Hochspannungslabor. Kein Problem für mich, kenne ich noch aus Alcatelzeiten, wo ich das Brandlabor geleitet habe und wir gemeinsam mit den Hochspannungsdullies ein 110kV - Energiekabel nach dem anderen ins Kabelnirwana befördert haben. Bei den Kollegen aus Braunschweig hat das ganze noch einmal ein deutlich anderes Kaliber. Hier werden Überschläge und Kurzschlüsse zu unterschiedlichsten Zwecken erzeugt und es blitzt, geht richtig auf die Ohren und die ganze Bude riecht nach Ozon.

Und dann komme ich in das Gebäude, also nicht in DAS Gebäude, nein, in DAS Gebäude!

Der Kopferman-Bau, das Haus, wo die Zeit gemacht wird!

Seit ich mit meinem Bruder 1975 der ersten Magnetschwebebahn auf einer Teststrecke des PTB zugesehen habe, träumte ich davon, einmal die Atomuhr zu sehen. Für mich stand die damals in einem sagenhaften Haus, wo die Zeit gemacht wurde. Es hat leider nie geklappt, denn in die PTB kam damals kaum jemand hinein. Ab 1980 besuchte ich durch meine Ausbildung zum Werkstoffprüfer die Berufsschule in Braunschweig. Näher, als in diesem Beruf kann man der PTB kaum kommen, haben wir doch damals in unseren Laboren mit Prüfeinrichtungen gearbeitet, die von der PTB kalibriert oder geeicht wurden. Und unsere Berufsschulehrer haben uns Jahr auf Jahr einen Besuch versprochen, aus dem nie etwas wurde. Und so kam das Arbeitsleben und ich zog nach Hannover und der Traum verblasste mit den Jahren.

Ich musste 61 Jahre alt werden, bis er plötzlich wieder da war, denn in einer Jobanzeige der PTB stand zu lesen, dass es den Tag der offenen Tür gibt! Und da war auf einmal wieder der 11 Jahre alte Junge an der Magnetschwebebahn, der sagte "Die Atomuhr, weißt Du noch?" Und jetzt stehe ich hier, 50 Jahre später und bin einfach nur glücklich.

Zeitmaschinen

Es gibt nur ein Problem:

Vor 50 Jahren gab es eine Atomuhr, also die Atomuhr.

Heute gibt es drei verschiedene Typen [6.973 KB] davon, die sich in immer neue Genauigkeitsdimensionen katapultieren. Und in Braunschweig stehen mindestens zwei Uhren jedes Typs. Die Atomuhr zu sehen ist also ein wenig aufwändiger geworden.

Der ganz heiße Scheiß bei den Atomuhren sind optische Modelle, die mit extrem kurzen Laserimpulsen und einem einzelnen Ytterbium - Ion arbeiten.

Die kanadischePhysikerin Donna Strickland hat beim Starmus - Festival darüber berichtet, dass sie Laserimpulse von der Kürze einer Femtosekunde erzeugen. Das ist ein Millionstel einer Milliardstel Sekunde. Man mag sich fragen, waozu man so etwas braucht? GPS und Augenlaserchirugie wären zwei Antworten.

Als ich das Haus, wo die Zeit gemacht wird wieder verlassen möchte, komme ich an einer unscheinbaren Tür zu einem Nebenraum vorbei, der mit DCF77 gekennzeichnet ist. Da klingelt was! Denn hier steht die Apparatur, die die Zeit für den Zeitsignalsender in Mainingen erzeugt und bereitstetllt. Und ich fühle mich wieder zu Aus Forschung und Technik und Bilder aus der Wissenschaft zurückversetzt, zwei Wissenschaftssendungen aus den Siebzigern. Und zu den ersten Funkuhren. Denn wenn über Zeit berichtet wurde, kam die immer von DCF77! Der Langwellensender ist aber nicht nur in Deutschland Taktgeber. Mit einer Reichweite von 2.000 Kilometern reicht er von Marokko bis Moskau und von Istanbul bis Island empfangbar.

Die PTB: Ein Stadtteil für sich.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen